Exhibitions


Tim Plamper + Sophia Pompéry
Der Raum der Worte ist nicht der Raum der Bilder
19.06.2015 – 01.08.2015
Mit der Duoausstellung stellt die Galerie WAGNER + PARTNER zwei junge
Berliner Künstler vor, die mit unterschiedlichen Medien –
Installationen, Zeichnungen, Video - irritierende Untersuchungen unserer
Wahrnehmung anstellen und sich mit den Unterschieden und Störungen
zwischen den Kommunikationssystemen Wort und Bild auf eine sehr
unkonventionelle Weise befassen. Für Sophia Pompéry als neue Künstlerin
der Galerie ist dies zudem die erste Ausstellungsbeteiligung. Sie war
Studentin Karin Sanders, Teilnehmerin am Institut für Raumexperimente
von Olafur Eliasson und wurde mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet.
Die
Trennung der Systeme Wort und Bild im Titel spielt mit deren
Verwobenheit und zielt auf die Sprachlichkeit von Bildern und die
Bildlichkeit unserer Sprache ab. Zugleich stellen die beiden Künstler
Tim Plamper und Sophia Pompéry Fragen nach der Funktionsweise und der
Verständlichkeit von Bild- bzw. Wortmetaphern, Symbolen oder Zeichen.
In jeder ihrer Arbeiten ist, wie in einem doppelten Boden, eine weitere
metaphorische Ebene verborgen. Zugleich vermögen sie reduzierte und
subtile Werke zu schaffen, deren Materialität bemerkenswert poetisch und
souverän behandelt wird.
Als Ausgangspunkt der Ausstellung zeigen
beide Künstler jeweils eine Installation, die sich mit einem oder
mehreren Klassikern der deutschen Literatur beschäftigt: Tim Plampers
HK-MK transformiert die Satzstruktur von Heinrich von Kleists Novelle
Michael Kohlhaas in eine skulpturale Arbeit aus langen Holzstäben, an
denen die Übersetzung des zentrierten Schriftbildes in eine
dreidimensionale Form erstaunlich erkennbar bleibt, obschon die
Installation gleichzeitig an Raum gewordene Morsezeichen oder
Eiweißreihung einer DNA erinnert. Sophia Pompéry vergrößert in ihrer
Arbeit Und Punkt die letzten Satzpunkte der Erstausgaben von 15
deutschen Liebesromanen aus drei Jahrhunderten unter dem Mikroskop. Die
sich in faserige Strukturen auflösenden Schlusspunkte verknüpfen die
formale Ebene auf melancholisch Weise mit der inhaltlichen Frage nach
dem Ende von Geschichten.
Um diese beiden zentralen Arbeiten
gruppieren sich andere Werke beider Künstler in Auseinandersetzung mit
dem Thema Kommunikation: Plampers kleinformatige Digitaldruckserie
Chiffren für zehn Dispositionen von einem industriell geformten
Gartenstuhl wird ergänzt durch kleine Bleistift-Zeichen, die die Gestik
des abgebildeten Stuhls mit der Bewegung des Stifts nachahmen. Diese
Zeichen erinnern an die unleserliche Schrift einer zittrigen Hand. Die
Gestik der schreibenden Hand bleibt in der Linie sichtbar und macht den
Stuhl zum Zeichen ohne Sitzfunktion. Weiterhin zeigt er die Videoarbeit
Which direction, die wie ein absurder Schwarz-Weiß-Film erscheint, der
Gegenstände aneinander reiht, aber unter Verwendung doppeldeutiger
englischer Begriffe eine Geschichte erzählt.
Wenn Pompéry sagt, dass
sie „mit Sprache nicht kann“, folgen wir in ihren Arbeiten ihrem Ringen
um das Verwirrspiel mit und in der Sprache. Die Künstlerin zeigt eine
Serie von Arbeiten mit Spiegeln, in die sie Aussagen eingraviert hat
wie: I can see a real future for us oder Don’t worry, I’ll find you a
new problem. Auf ironische Weise spielt sie hier mit der
Blickpunktverschiebung, die entsteht, wenn man sich, die Worte lesend,
gleichzeitig im Spiegel sieht und fragt: Wer spricht denn nun eigentlich
zu mir? Im Video Eratnac Imetaihsal (Lasciatemi Cantare) singt die
Künstlerin einen eingängigen italienischen Popsong rückwärts ein, um ihn
in der Folge zurück zu drehen und zu spiegeln.
Die Sprache der
Gestik greifen beide Künstler auf: Pompéry mit der Fotoserie Rhetorische
Übung, in der Glashände uns allen bekannte Gesten von Politikern
nachstellen. Die gestische Kommunikation als Mittel der
Machtdemonstration steht hier dem virulenten Thema der Transparenz von
Machtverhältnissen gegenüber. Virtuos sinnlich und kontrolliert zeichnet
Plamper (Körper und Gedächtnis #01 + #02) als filmisch anmutende
Überblendungen gestikulierende Hände so, dass die Grenze zwischen
Standbild-Zeichnung und Bewegtbild verschwimmt.
Tim Plamper (*1982 in Bergisch-Gladbach) arbeitet gerne medienübergreifend, hat aber einen künstlerischen Fokus auf Zeichnungen. Er studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart bei Prof. Alexander Roob. Er nahm an Ausstellungen u. a. im Nassauischen Kunstverein, im Kunstverein Eislingen und im Künstlerhaus Bethanien teil.
Sophia Pompéry (*1984 in Berlin) studierte freie Bildhauerei an der Kunsthochschule Weissensee in Berlin bei Karin Sander und Eran Schaerf, war dort Meisterschülerin und nahm anschließend am Institut für Raumexperimente von Olafur Eliasson an der UdK teil. 2015 erhielt sie den Jaqueline-Diffring-Preis, nahm an Ausstellungen u. a. im Stedelijk Museum, 's Hertogenbosch / NL, im MARTa Herford, im Museum of Contemporary Art Tokyo, im Kunstverein Kassel und im Nassauischen Kunstverein in Wiesbaden teil. Ihre Arbeiten sind u. a. in den Sammlungen des Kunstmuseums Bonn, René Block und ARTER Space for Art, Vehbi Koç Foundation, Istanbul vertreten.
Watch ERATNAC IMETAISHAL: Sophia Pompery, 2007, video projection, 4:12min, PAL, colour, sound
Eratnac Imetaishal (Lasciatemi Cantare) from Sophia Pompéry
ERATNAC IMETAISHAL (Lasciatemi cantare) is a mirroring in time. Melody and words were sung backwards. After recording this interpretation the film was played backwards as well, so that the backwards-singing turned out to be the well known melody again.